Monat: Januar 2021

Johns Rückkehr nach Liverpool

Im vergangenen Jahr habe ich zum dritten Mal eine Weihnachtsgeschichte übersetzt. Die erste Geschichte hieß Das zwölfte Album und warf einen Blick auf ein Paralleluniversum, das sich auf irgendweine Weise in unsere Zeit gefaltet hatte und in dem die Beatles im Jahr 1970 noch ein weiteres Album aufgenommen hatten. Die zweite Geschichte war Snodgrass, eine Alternativweltgeschichte, in der sich John Lennon 1962 von der Band getrennt hatte und, arbeitslos und unglücklich verliebt, Anfang der 90er Jahre in Birmingham ein Beatleskonzert besucht. Die dritte (neue) Geschichte heißt Johns Rückkehr nach Liverpool und spielt in einer diffusen Zwischenwelt nach dem Attentat. Es ist ein Kammerspiel, John besucht Dorothy, Dorothy nimmt John auf, mehr Protagonisten gibt es nicht. Ich habe nicht herausbekommen, wer Dorothy ist. Die Haushälterin von John Lennon hieß Dorothy Jartlett, vielleicht daher. Zuerst dachte ich, es wäre einfach eine Gruselgeschichte, aber beim Übersetzen merkte ich, dass der Text einige Tiefen hat (die Lösung der Erzählung vermute ich in der Fernsehdokumentation), wie auch sonst bei diesem Thema. Vor allem geht es einmal nicht um Musik, sondern um Bilder. Ein altes Foto spielt eine Rolle und die Schlussszene ist eine Referenz auf die berühmte Fotosession von Annie Leibovitz mit John und Yoko am 8. Dezember 1980. Das alles hat mich dann doch ziemlich mitgenommen.

Nachtrag

Aus der Übersetzung habe ich ein kleines Büchlein gemacht, das ich sehr gern verschenken will. Wer das Heft haben möchte, schreibt mir bitte einfach. Ich freue mich immer über Post.

Rewind Ringo (5)

Wir kommen bei der Durchsicht von Ringos Repertoire langsam in unbekannte Gewässer. Auf Ringo the 4th verändert er das eingefahrene Schema. With a Little Help from My Friends ist erstmal vorbei. Auf der Platte sind keine Ex-Beatles mehr. Die meisten Stücke sind von Starkey – Poncia, mit Vini Poncia hatte Ringo auch in den Jahren zuvor ein paar Songs geschrieben. Ringo the 4th ist zur Hälfte der Versuch, ein Album mit Disco zu machen — es war schließlich 1977 und Ringos Leben bestand vor allem aus Partys, Alkohol und Drogen. Aber Ringo dabei zuzuhören, wie er sich, unterstützt von zwei freundlichen und vor allem melodiesicheren Backgroundsängerinnen, durch ein paar Disco-Nummern kämpft, weckt schmerzhafte Assoziationen von einem missglückten Abend in einer Karaoke-Bar, bei dem niemand klatscht.

Immerhin, das Album ist von Hand eingespielt, richtige Menschen machen mit richtigen Instrumenten richtige Musik, und Ringo hat phantastische Musiker versammelt. Es ist Disco, aber es ist nicht leblos. Es ist ein guilty pleasure, wenn man möchte.

Trotzdem gibt es auch hier ein paar Sachen, die ich sehr gern höre. Wings ist solider Reggae mit einer Melodie, die bei mir hängenbleibt und einer wundervollen Gitarre von David Spinozza. Auch Ringo muss an diesem Song noch immer etwas finden, er hat ihn jedenfalls 2012 noch einmal aufgenommen. It’s No Secret ist entspannte Tanzmusik, die man mit fortschreitendem Alter ohne weiteres auf einer Geburtstagsfeier auflegen könnte. Doch am meisten mag ich Gave It All Up, eine Ballade, in der Ringo eine Geschichte von Verlusten erzählt. Ein klares, schönes Lied, er kann es also noch. Und in der Auslaufrille der ersten Seite ist ein kleines endloses Hörstück versteckt, solche Späße gefallen mir ja. Es ist komischerweise noch nicht in der Wikipedia vermerkt, wahrscheinlich hat noch niemand so lange durchgehalten.

Das Cover würde man heute wahrscheinlich auch nicht mehr machen. An dieser Stelle kein Wort über die Rückseite.

#193

Auf dem Sessel neben meinem Schreibtisch liegt der Kater und schläft. Ich frage ihn nach seinen Kontakten, wen er nachts draußen trifft und aus wievielen Hausständen, wie weit er sich entfernt, all diese Sachen, aber er antwortet nicht.