Monat: Oktober 2020

#179

Wir loggen endlich die dritte Wolgaster Bahnstation: Wolgaster Fähre. Zuletzt waren wir hier vor zweieinhalb Jahren.

Tiere am Wegesrand: Rehe, Hunde, Enten, Gänse, Hühner, Kühe, Bullen, Schafe, Katzen, Bienen, Adler. Tierspuren am Wegesrand: Wildschweine.

Zwischen Sauzin und Neeberg vollständige Stille. Unten liegt das Achterwasser, über uns der weite pommersche Himmel.

Heute ist Bettenwechsel, Abreisetag. Beherbergungsverbot hin oder her, die Insel ist voller Menschen. Polen ist ab morgen Risikogebiet, also müssen außerdem alle deutschen Urlauber gleichzeitig Swinemünde räumen. Ab Neeberg kommen uns ununterbrochen Autos entgegen, denen ihr Navigationsgerät geraten hat, den Stau vor Wolgast über die Landstraße zu umfahren. Sogar auf dem alten Plattenweg zwischen Krummin und dem Gnitz ist Autoverkehr. Aber am Ende müssen doch alle über dieselbe Brücke fahren. Auf der Rückfahrt sehen wir die kilometerlange Schlange aus dem Zugfenster. Der Stau schafft es in die Nachrichten.

Ein ungewöhnliches Geräusch über unseren Köpfen. Als wir nach oben gucken, sehen wir ein Passagierflugzeug. Der Flughafen in Heringsdorf hat vier Starts in der Woche, alle am Samstag, wahrscheinlich wollen sie es den Planespottern einfacher machen.

[Gnitz III]

Rewind Ringo (2)

Nach den beiden Platten aus dem Jahr 1970 dauerte es etwas mit der Nächsten. Stattdessen setzte Ringo Starr so fort, wie auch die Beatles regelmäßig verfahren waren: Nicht alle Songs auf ein Album zu packen, sondern zwischendurch einfach Singles zu veröffentlichen.

1971 erschien It Don’t Come Easy, an dem George Harrison großen Anteil hatte, aber noch bemerkenswerter ist die B-Seite Early 1970, ein berührender Song, in dem Ringo seine ehemaligen Bandkollegen und seinen Wunsch beschreibt, mit allen dreien wieder zusammenzuspielen. Etwas, das nie wieder passieren sollte. Ein Jahr später kam Back Off Boogaloo heraus, wieder eine Co-Produktion mit George Harrison, mit einem treibenden Rhythmus und großem Sog. Ringo war erfolgreich und 1973 erschien schließlich das Album, das von den Leuten, die sich damit auskennen, immer genannt wird, wenn sie nach seiner besten Platte gefragt werden. Es heißt Ringo.

Ich weiß nicht, ob Ringo Ringos bestes Album ist, aber es spricht viel dafür. Das fängt mit der Verpackung an. Das Frontcover ist ein gemaltes Wimmelbild, mit allen beteiligten Musikern. Es erinnert an Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band. Das Booklet enthält zu jedem einzelnen Song eine Lithographie von Klaus Voormann. So viel Mühe machte sich Ringo Starr nie wieder, zwischenzeitlich erschienen seine Alben nicht mal mehr auf Vinyl.

Mit dieser Platte fand Ringo seine Rolle als Solokünstler. Ab jetzt war er der Ex-Beatle, mit unzähligen Referenzen auf die Band und auf Liverpool. So dicht an einer Reunion wie hier waren die Beatles selten. Der erste Song I’m the Greatest wurde von John Lennon geschrieben, der zusammen mit George Harrison auch auf der Aufnahme auftaucht. Klaus Voormann spielt den Bass für Paul McCartney, der gerade nicht in die USA einreisen durfte. Billy Preston komplettiert die alte Besetzung aus den Sessions zu Let it Be. Und im Text tritt The One and Only Billy Shears wieder auf, Ringos Alter Ego aus der Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band.

Ringo hat keine Schwächen. Photograph (wieder eine Zusammenarbeit mit George Harrison und vielleicht Ringos bester Song überhaupt) ging auf Nummer 1, genauso wie das Cover von You’re Sixteen. Paul und Linda McCartney schrieben Six O’Clock und spielten den Song mit ein. Auf Step Lightly hören wir Ringo stepptanzen. Aber der Höhepunkt des Albums ist für mich der letzte Song You and Me (Babe). An dessen Ende tritt Ringo vor den Vorhang, verabschiedet das Publikum und bedankt sich bei allen Mitwirkenden:

Well, it’s the end of the night and I’d just like to say thank you to everyone involved in this piece of plastic we’re making. Good old Jim Keltner, Klaus Voormann, Nicky Hopkins, George Harrison and John Lennon, Paul McCartney. Richard Perry, who’s producing this masterpiece, Bill Schnee, ever smiling, ever loving, Vini Poncideo and all his other friends and everybody else who joined in and helped us on this wonderful record. So it’s a big good night from your friends and mine, Ringo Starr.

Wem würde da nicht warm ums Herz werden?

#178

Joey Molland ist ein Zeitreisender, seit vielen Jahren der letzte Überlebende seiner tragischen Band. Jetzt hat er Be True to Yourself herausgebracht. Richtige Menschen mit richtigen Instrumenten, Harmonien, die sich langsam ins Langzeitgedächtnis vorarbeiten und eine Produktion, die an ihren besten Stellen tatsächlich an Badfinger erinnert. Ein paar Fäden führen bis zu den Beatles zurück. Das muss ein Kraftakt gewesen sein, ich bin sehr glücklich, dass er so etwas noch einmal geschafft hat.