Monat: März 2020

#158

Mein Zeitungsladen hat zugemacht. Es war die einzige Bahnhofsbuchhandlung in Greifswald, jeden Tag geöffnet, außer Weihnachten vielleicht. Sie haben die Jalousien heruntergelassen und draußen einen Zettel angeklebt. Weiß, DIN A4, Querformat, wie sie jetzt an vielen Läden hängen.

Die Fischfrau auf dem Markt darf keine Fischbrötchen mehr verkaufen. Die Fischläden in der Stadt dürfen es weiterhin, obwohl das enge, schlecht belüftete Ladengeschäfte sind. Der Fischwagen darf es nicht mehr, warum auch immer. Die Fischfrau hatte einen Brief vom Amt dabei, sie habe nur ein Fahrgeschäft, hieß es. Sie verliert damit 80 Prozent des Umsatzes. Lange wird das nicht gutgehen.

Vor den Marktständen sind mit weißer Farbe Markierungen auf das Pflaster gemalt. Die Leute halten beim Anstehen Abstand, sehr diszipliniert, sehr ernst.

Dhani Harrison hat The Inner Light neu aufgenommen. Er sieht aus wie sein Vater und er singt so wie er. Bob Dylan hat einen neuen Song veröffentlicht, 17 Minuten lang, Murder Most Foul. Was für Zeiten.

Gestern kamen zwei neue Platten an: Gone Troppo von George Harrison und Give More Love von Ringo Starr. Ich habe gerade keine Zeit für Schwermut.

In der leeren Fußgängerzone A. getroffen. Er ist ein Informationsjunkie, guckt alle Pressekonferenzen, hört alle Podcasts, das macht ihn fertig. Das kann man nicht lange durchhalten.

Selbstermächtigung: Was können wir eigentlich tun? Wir können den Kopf oben behalten und den Kopf einziehen, beides gleichzeitig.

Durch die halbe Stadt gefahren, um Zeitungen zu kaufen. Die Sonne sammelt schon Kraft für den Frühling.

#157

Heute noch einmal im Buchladen. So gut wie alles andere bleibt offen, aber die Buchläden aber müssen schließen. Mal sehen, wieviele in ein paar Monaten wieder aufmachen werden. Draußen plünderten die Leute die Läden, drinnen war es ganz leer und still. Endzeitstimmung, ein bisschen.

Der Drogeriemarkt war zur Hälfte leer, sogar Zahnpasta wird knapp. Es ist wirklich verrückt. Die Deutschen haben sich dafür entschieden, das Virus mit Vorratswirtschaft und Dauershopping zu bekämpfen und nicht mit Zuhausebleiben. Selbst die kommende Ausgangssperre wird wohl ignoriert werden. What could possibly go wrong?

Den Baum auf dem Hof beschnitten. Die Vögel gefüttert, sie sind hungrig wie lange nicht. Der Frühling kommt unpassend.

#156

Mein Bürorechner funktioniert zu Hause nicht und es wird eine Weile dauern, das zu ändern. Der Support ist völlig überlastet, weil sich natürlich alle gleichzeit überlegt haben, dass sie jetzt Home Office machen wollen.

Eine merkwürdige Abschiedsstimmung im Büro. Die Leute mit kleinen Kindern füllen Anträge aus, damit sie freigestellt werden können, die meisten wollen bleiben, ein paar gehen nach Hause, so wie ich. Ich schleppe einen Koffer voller Akten mit, das sollte ein paar Tage reichen.

Abends wird der Shutdown verkündet. Ein Gefühl von Erleichterung, dass die Urlauber verschwinden müssen, zurück nach Hamburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen. Der eigene Horizont reicht jetzt nur noch bis zur Landesgrenze. Als Nächstes wird es Ausgangssperren geben und was passiert dann? Ich kann mir keine Steigerung vorstellen, aber es wird eine Steigerung geben.

Alle Minister erzählen, dass sie eine Liste mit Aufgaben auf dem Schreibtisch liegen haben, die sie abarbeiten wollen, wenn das alles vorbei ist. Das klingt gut, ich glaube, weil es Zuversicht beinhaltet.

Ich versuche, meinen Schachverein in ein Online-Exil zu überführen. Die Schachserver sind so voll wie noch nie. Die ganze Welt sitzt vor dem Rechner und will sich ablenken.

Im Laden hatten sie heute wieder frisches Obst und Gemüse. Hoffentlich bleibt das so. Ich weigere mich, Dosengemüse zu essen.

Es hängt mit unserem Essen zusammen. Weil wir Tiere essen. Das war mir gar nicht klar.