Monat: März 2018

Im März III

Vögel sind misstrauische Tiere. Sie sehen sich das Futtersilo und die Taverne mit den Erdnüssen drei Tage lang an. Danach brauchen sie weniger als 24 Stunden, um alles leer zu machen. Je kälter es wird, desto schneller werden sie. Zuerst fällt die Horde Spatzen ein, die Meisen und das Rotkehlchen warten in aller Ruhe ab, bis sie fertig sind. Die Amseln holen sich den Rest vom Boden. Der Zeisig kommt nur selten.

Ich sitze am Küchentisch und sehe ihnen zu. Sind es jeden Tag dieselben Tiere? Woher wissen sie, dass es hier Futter gibt? Es gibt keine Möglichkeit, sich mit ihnen zu verständigen. Wenn ich die Tür zum Hof öffne, fliegen alle weg, schon in dem Moment zuvor. Vögel sind kluge Tiere.

Der Arzt sagt, ich solle spazieren gehen, also gehe ich jeden Tag den Treidelpfad nach Wieck. Der Ostwind tobt mir entgegen. Am Ryck sind lauter Baustellen, es dauert nicht mehr lange, bis alle leeren Flächen in dieser Stadt bebaut sind. Dann ist auch weniger Wind. In Wieck laufe ich bis auf die Nordmole, auf dem Bodden scheppern die Eisschollen. Fast so, als ob Greifswald am Meer liegen würde. Das Geländer hängt voller bemalter Vorhängeschlösser, mich ärgert das, weiß auch nicht, warum. An diesen Vormittagen ist fast niemand unterwegs, für die arbeitslosen Angler ist es noch zu kalt und für die Rentner auch. Die Jogger arbeiten um diese Zeit.

Ich fahre mit dem Bus zurück in die Stadt. Am zweiten Tag habe ich schon einen Stammplatz.

Am Karfreitag hören endlich alle auf: Die Bauarbeiter bleiben zuhause, die Lastkraftwagenfahrer liefern keine Baustoffe an, die Eltern fahren ihre Kinder nicht in den Kindergarten, die Burschenschafter singen keine Nazilieder, das Bäckerauto steht in der Garage, die Diskothek ist verboten, der Supermarktparkplatz leer, die Universität abgeschlossen, die Stadt ruhig.

Während der ganzen Zeit machen in mir Millionen Antikörper ihre Arbeit.

Sie haben eine Stunde aus diesem Monat herausgeschnitten, damit der Frühling endlich kommt.

#087

mark793 war im Tomographen:

Es fing schon mit dem Plexiglashelm an, der mir zusammen mit einem Paar Ohrenschützer über den Kopf gestülpt wurde, da kriegte ich bereits Beklemmungen, bevor ich überhaupt in die enge Röhre geschoben war.

Ich erinnere mich auch mit Schrecken an den von beiden Seiten eingeklemmten Kopf, der zu allem Überfluss noch von oben mit einer Art Torwartmaske wie beim Eishockey abgedeckt wurde. In der engen Röhre völliger Verlust des Zeitgefühls. Es endete erst dann, als ich mir vornahm, bis hundert zu zählen und dann den Gummiball in meiner Hand zusammenzupressen. Immerhin lief kein Kontrastmittel in die punktierte Vene, sonst würde es ernst werden, ahnte ich.

#086

Newlands Cricket Ground heute Vormittag. Die Sonne scheint, die Tafelberge sind nicht mehr wolkenverhangen und Südafrika hat am vierten Tag gegen Australien das, was sie healthy lead nennen. Es könnte also alles in bester Ordnung sein.

Aber gestern hatten die Kameras beobachtet, wie der Australier Cameron Bancroft den Ball auf dem Feld erst an einem leuchtend gelben Stückchen Sandpapier rieb und dieses dann in seiner Hose versteckte. Das nennt man Ball tampering. Der Ball ist im Cricket heilig. Er darf (mit Schweiß oder Spucke, nicht jedoch mit Haargel) poliert, mit einem Handtuch abgetrocknet und von Schmutz befreit werden, mehr nicht. Es wird mit ein und demselben Ball gespielt, der frühestens nach 80 Overs getauscht wird. Fliegt er aufs Dach oder aus dem Stadion, versucht der Ground staff, ihn zurückzuholen. Der Ball verändert mit der Zeit seine Eigenschaften, er wird weicher, langsamer, schwerer berechenbar, die Nähte platzen auf, er springt anders ab. Das ist Teil des Spiels. Mit Tampering soll der Swing des Balles weiter erhöht werden. Eine Seite wird poliert und die andere möglichst aufgerauht, die Aerodynamik wird beeinflusst, der Ball fängt an zu eiern. Das macht es den Batsmen schwerer.

Wahrscheinlich hat es für Australien noch nicht einmal funktioniert, die Schiedsrichter haben den Ball gar nicht erst ausgetauscht. Trotzdem: Cricket ist ein Sport für Gentlemen. Sogar der australische Premierminister schaltete sich in die Diskussion ein und forderte im Namen der Nation Konsequenzen gegen sein Team. Der Kapitän Steven Smith verlor sein Amt und wurde für ein Match gesperrt. Bancroft und Smith bekamen hohe Geldstrafen. Man möge sich im Fußball eine vergleichbare Situation nach Schwalbe und (verschossenem) Elfmeter vorstellen.

Als Bancroft und Smith heute für ihr zweites Innings auf das Feld kamen, wurden sie vom Publikum sogar ausgebuht. Auch auf solche Gefühlausbrüche würden wir gern weiterhin verzichten.

Nachtrag

Der australische Cricketverband hat Smith und Vizekapitän Warner für ein Jahr gesperrt, Bancroft für neun Monate.