Monat: Januar 2018

#076

Es gibt diese unendliche Diskussion über das Genus von Blog. Das heißt, ganz am Anfang gab es diese Diskussion wahrscheinlich noch nicht. Da wussten alle, dass Blog aus der Zusammensetzung von Web und Log entstanden und ein Weblog eine periodische Aufzeichnung im Netz ist. Das Geschlecht eines zusammengesetzten Substantivs bestimmt sich nach dem Grundwort. Das Grundwort ist Log. Log ist sächlich. Fertig.

Eventuell ist es leider nicht ganz so einfach, weil Blog tatsächlich kein Kompositum, sondern ein Kunstwort ist. Trotzdem: Blog für ein Maskulinum zu halten, kann nur von der Homophonie zu (der) Block herrühren und das ist doch ein ziemlich plumpes Argument, gegen das sich schon Adelung wandte:

Vermöge des vertrauensseligen Rückgriffs auf andere Mittel und Wege, des Schiffes Standort zu bestimmen, vernachlässigen es manche Handelsschiffe und viele Walfänger, insonderheit wenn sie beim Kreuzen, ganz und gar, das Log auszuwerfen; obschon sie zur selben Zeit, und häufig eher der Form halber als sonst irgendwie, regelmäßig auf der üblichen Tafel den Kurs vermerken, welcher vom Schiff gesteuert, wie auch die angenommene Durchschnittsgeschwindigkeit ihres Fortkommens zu jeder Stunde. Solchermaßen war’s auch bei der Pequod gewesen.

– Moby-Dick; oder: Der Wal, 125. Kapitel: The Log and Line, Übertragung von Friedhelm Rathjen

Das ist es, was wir hier machen: ab und zu ein Stück Holz ins Wasser werfen, um zu sehen, wo wir gerade sind. Deshalb bitte das Blog.

Etwas über Kühltruhen

Kühltruhen waren schwer zu bekommen. Das merkte ich, als mein Vater eines Tages plötzlich mitten auf der Straße das Auto wendete, um ein Pferdefuhrwerk einzuholen, das eine Kühltruhe geladen hatte. Mein Vater war ziemlich aufgeregt. Woher er die Kühltruhe denn hätte? Aus dem Kaufhaus in der Ernst-Thälmann-Straße.

Ich erfuhr binnen kürzester Zeit, dass es für Kühltruhen eine Warteliste gab wie für Autos, dass wir inzwischen ganz oben auf der Liste standen und dass die Kühltruhe auf dem Fuhrwerk deshalb eigentlich jetzt unsere Kühltruhe sein müsste. Kühltruhen waren offenbar fast so wertvoll wie ein eigener Telefonanschluss. Mein Vater fuhr deshalb sofort zum Kaufhaus und machte Druck (wie man so sagt) und ein paar Tage später hatten wir dann auch eine Kühltruhe. Wir hatten dann sogar ein Gerät, mit dem man die Folien um das Gefriergut herum verschweißen konnte, um dem gefürchteten Gefrierbrand zu entgehen. Auf der Folie wurden Inhalt und Datum vermerkt und auf der Unterseite des Deckels der Kühltruhe waren Piktogramme, von denen man ablesen konnte, wie lange die Sachen gewöhnlich haltbar blieben. Trotzdem: Was ganz unten lag, hatte es schwer, nicht in Vergessenheit zu geraten. Wie überall.

Das einzige Problem von Kühltruhen ist, dass sie ziemlich groß sind. Die Kühltruhe passte nicht in die Wohnung und stand deshalb zwei Stockwerke höher auf dem Treppenabsatz vor dem Dachboden. Ab und zu wurden wir hochgeschickt, um etwas aus der Truhe zu holen, was nicht immer leicht zu finden war. In einer Kühltruhe sieht nach ein paar Monaten nämlich alles ähnlich aus.

Inzwischen ist es kein Problem mehr, eine Kühltruhe zu kaufen, aber ihre Bedeutung geht stark zurück. Ich denke, das hängt mit der Überproduktion und dem Niedergang der Vorratswirtschaft zusammen. Und mit deren Größe natürlich. Unsere neue Kühltruhe auf Westniveau stand darum zuerst im Badezimmer neben dem Waschbecken und seit dem letzten Umzug ist sie im Keller. Sie verbraucht eine Menge Strom. Wir haben deshalb den Stecker rausgezogen.

Braucht vielleicht jemand eine Kühltruhe?