Monat: September 2013

Anklam

Am Montag nach der Wahl mit M. unterwegs über Land, um die Wahlplakate abzunehmen, die traurig und wie aus der Zeit gefallen an den Laternenmasten hängen. Wir fahren eine große Runde über Kemnitz, Katzow, Hohendorf, Bauer Wehrland und Lassan nach Anklam. Einen Teil der Arbeit haben die anderen längst für uns erledigt, trotzdem ist das Auto schon einigermaßen voll, als wir mit der Stadt fertig sind. Wir suchen den Wertstoffhof, um Platz für den Rest der Tour zu schaffen – Gützkow, Jarmen, Tutow, Loitz, Görmin und noch so ein paar andere gottverlassene Orte.

Die Wegbeschreibung ist aus dem Internet, wir fahren über die Brücke, danach rechts ab, nochmal rechts in Richtung Peene und von dort nach links, vorbei an den Bootshäusern, bis es nicht mehr weiter geht. Dort ist ein Hof mit Containern und alten Reifen und einem Lagerhaus, aber nirgends ein Schild. Das Tor steht offen. M. steigt aus, um nachzufragen, ob wir hier richtig sind, geht durch eine angelehnte Tür in das Haus und verschwindet. Eine Katze läuft über den Hof, sonst passiert nichts. Mittags, die Sonne scheint und es ist ganz ruhig.

Ich warte fünf Minuten und trommle mit den Fingern auf dem Lenkrad, bis ich mich ein bisschen wie in einem Roadmovie fühle (Perdita Durango bei diesem Banküberfall) und gehe hinterher. Hinter der Tür ist ein großer Raum. M. hat einen Stapel aus Bücher und Broschüren und sonstwas in den Händen und redet mit einer freundlichen Frau um die 60 mit Haaren im Gesicht. Wir sind in einer Art Betsaal, an der Wand hängt eine Reproduktion des Abendmahls und auf dem Tisch liegt eine aufgeschlagene Bibel. Er sei eine verlorene Seele, es sei kein Zufall, dass er vom Wege abgekommen und gerade hierher gekommen sei, die Piratenpartei sei auch keine Lösung, weil sie sich nur mit den weltlichen Dingen beschäftige und nicht mit den geistigen. Und der Wertstoffhof sei hinter dem Autohaus. M. nimmt alles mit, ein Neues Testament in irgendeiner letztgültigen Übertragung irgendeiner letztgültigen Missionsgesellschaft, Zettel, eine CD und ich ziehe ihn ein fast wenig nach draußen – wir haben ja wirklich noch zu tun, den Wertstoffhof finden, die Plakate ausladen und dann Richtung Gützkow, Jarmen und so weiter, die ganze Strecke.

Ein Haiku II

Dreizehn Kraniche
in Linie aufgereiht
vor dem Septembermond

Jungs

Auf dem Bürgersteig hockt ein Junge und schaut der Asphaltfräse bei der Arbeit zu. Die riesige Maschine macht einen Höllen-Lärm, unter unseren Füßen vibriert die Erde und es riecht nach Teer. Neben dem Jungen steht seine Mutter und wartet, wahrscheinlich sind sie auf dem Weg vom Schulhort nach Hause. Ab und zu zeigt der Junge auf die Schneidezähne der Fräse, die zwischen den Kettenlaufwerken der Maschine zu sehen sind und sich langsam durch die Straße graben. So geht das noch eine halbe Stunde lang. Dann klettert der Fahrer aus der Kabine und geht zu dem Jungen. Sie verabschieden sich. Bis morgen!